Open Units statt Open Space!

Die Begrifflichkeit des Open Space liegt voll im Trend. Für die einen handelt es sich um eine spannende Vision in einer digitalisierten Arbeitswelt. Für die anderen klingt es eher nach gefährlicher Drohung, die mit Großraumbüro und Desksharing gleichgesetzt wird. Wieviel Offenheit braucht also ein zeitgemäßes Büro? Eine kritische Analyse zwischen Irrtümern und Irreführung.

Um sich möglichen Antworten zu nähern, müssen wir zunächst einmal die Frage stellen, wo und wie Büromenschen heute eigentlich arbeiten. Zwar lässt sich das nicht über einen Kamm scheren – eine Außendienstmitarbeiterin hat nun mal einen ganz anderen Tagesablauf als ein Buchhalter – dennoch ist es so, dass feste Arbeitsplätze im Laufe einer Arbeitswoche im Schnitt nur mehr zu einem Drittel genutzt werden. Die restlichen zwei Drittel verbringen wir also abseits des (eigenen) Schreibtisches in Meetings, Pausenbereichen, Coworking-Zonen, im Heimbüro oder unterwegs. Man könnte die Liste noch fortsetzen. Die Fachwelt hat dafür den Begriff „Activity Based Working“ geprägt: Wir nutzen die Arbeitsorte, die für unsere aktuelle Tätigkeit am besten geeignet sind.

 

Zellenbüro oder Großraum: Welche Büroform ist die bessere?

„Nun, das ist definitiv die falsche Frage“, meint dazu Bernhard Kern, Geschäftsführer der Roomware Consulting – ein Unternehmen, das sich mit der Entwicklung und Konzeption von Büros beschäftigt: „Das richtige Bürokonzept wird von der jeweiligen Organisation bestimmt und muss zur Unternehmenskultur passen. Die Büroformentscheidung geht immer Hand in Hand mit künftigen Arbeitsweisen.“

Großraumbüros sind bei vielen Unternehmern sehr beliebt, weil sie – wenig überraschend – billiger sind. Eine Faustregel besagt, dass die Flächenkosten etwa um ein Drittel niedriger sind als bei Bürogebäuden mit klassischen Zellenstrukturen. Diesem wirtschaftlichen Aspekt steht in jedem Fall aber viel Negatives gegenüber. Da hilft auch eine Umetikettierung von Großraum auf Open Space nichts. Die Probleme im Open Space sind bekannt und nur schwer in den Griff zu bekommen: Lärmbelastung, Konzentrationsstörungen und – was einigermaßen paradox klingt, wird es doch als großer Vorteil verkauft – die Beeinträchtigung der Kommunikation: In einer aktuellen Harvard-Studie wurde festgestellt, dass sich die persönlichen Gespräche in Open Spaces – im Sinne von Großraumbüros – im Vergleich zu kleinstrukturierten Büros um bis zu 70 Prozent reduziert haben. Gleichzeitig nahm die digitale Kommunikation via Messenger oder E-Mail um 67 Prozent zu. Das Resultat: Die Mitarbeiter verstecken sich hinter ihren Computern, schlüpfen unter Kopfhörer und gehen stumm ihrer Arbeit nach.

Bewegen wir uns also zurück ins traditionelle Zellenbüro? Mit großem Schreibtisch und üppigen Laufmetern Stauraum? Wohl kaum, auch wenn die Zelle bei den Mitarbeitern nach wie vor die beliebteste Büroform ist. Laut Fraunhofer-Institut arbeiten immer noch knapp 50 Prozent in klassischen Büros mit Zellenstrukturen. Abgesehen davon, dass jede Veränderung erst einmal skeptisch betrachtet wird. Nach wie vor ist das Zellenbüro für viele Mitarbeiter die Manifestation von Hierarchie, Status und Besitzanspruch.

Doch auch im klassischen Zellenbüro wiegen die negativen Aspekte schwer: In vielen Unternehmensbereichen behindern die starren Zellenstrukturen moderne, auf Collaboration ausgerichtete Arbeitsprozesse. Dazu kommen hohe bauliche Kosten und schlechte Flächeneffizienz – und das, wie weiter oben bereits angeführt, bei einer tatsächlichen Anwesenheit am Arbeitsplatz von kaum mehr als 30 bis 50 Prozent.

Zwar wird konzentriertes Arbeiten in Ein-Personen-Zellen durchaus unterstützt, in 2er oder 4er Zellen sieht die Situation schon wieder ganz anders aus: Hier wird Kommunikation bzw. der damit verbundene Lärm sogar als störender empfunden als der Schall-Grundpegel in offenen Raumstrukturen.

Das Paradoxe an der Diskussion „Großraum versus Zelle“ ist also, dass die vermuteten Stärken der jeweiligen Büroform in der Realität genau gegenteilig wahrgenommen werden.

 

Open Units bringen Kommunikation und Konzentration in Balance.

Zukunftsforscher Sven Gabor Janszky geht in seinem Buch „2025 – So arbeiten wir in der Zukunft“ davon aus, dass es künftig drei wesentliche Raumszenarien in Bürogebäuden geben wird: Silent Rooms für hochkonzentriertes Arbeiten, hoch technifizierte Kommunikationsräume für reale und virtuelle Meetings, sowie Coworking Spaces, die eine ideale Umgebung für das Zusammenarbeiten bieten. Während die ersten beiden Raumszenarien als klassische Zellen-Lösungen konzipiert sind, lassen Coworking-Bereiche einen großen organisatorischen und gestalterischen Spielraum für die räumliche Umsetzung zu. Dabei ist meist eines zu beobachten: sie sind weder Großraum noch Zelle. Experten, wie der Prager Architekt Martin Stara, dessen Architekturbüro Studio Perspektiv auf New-Work-Bürokonzepte spezialisiert ist, sprechen hier von Open Units. Gemeint sind redimensionierte, kleinstrukturierte, aber dennoch offene Raumzonen, die v.a. die Zusammenarbeit im Fokus haben: Projekträume, Bibliotheken, Workcafés, Kommunikationsinseln, Rückzugsnischen, Teambüros, Lobbies, Gärten, Wohnzimmer, etc.; die gestalterischen Umsetzungsmöglichkeiten sind unglaublich vielfältig. Open Units verstehen sich als Antwort auf Activity Based Working. Sie schaffen die Freiheit, sich den idealen Arbeitsort für seine Tätigkeit auszuwählen. Der personalisierte Schreibtisch spielt dabei nur mehr eine untergeordnete Rolle. Stauraum eine noch viel geringere, denn Notebook und Cloud übernehmen diese Funktion.

Open Units sind integrativer Bestandteil eines offenen Raumkonzepts, aber in kleinere räumliche Einheiten strukturiert, gegliedert und – je nach Zweck – mehr oder weniger stark visuell und akustisch abgeschirmt. Der Unit-Gedanke, wie man ihn aus der Organisationslehre kennt, wird auch räumlich umgesetzt. Der Hauptvorteil für diese organisatorischen Einheiten besteht darin, die Collaboration zu unterstützen. Bei kreativen Innovationsprozessen fördern die Units einerseits die Offenheit des Denkens und bieten andererseits die notwendige Abgeschirmtheit, um konzentrierte Team- und Projektarbeit zu ermöglichen.

Bleibt noch das Argument der Kosten und die Frage, wie man sich den finanziellen Spielraum für die zusätzlich gestalteten Open Units schafft. Mit dem weitgehenden Verzicht auf teure, flächenintensive Zellenbüros bei gleichzeitiger Redimensionierung der klassischen Arbeitsplätze – sei es durch Desksharing oder Einsparung nicht mehr benötigter Stauraum-flächen – sollte sich das locker ausgehen.

 

Autor: Franz Gurtner, Wiesner-Hager Content-Redaktion

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