Zalando Headquarter: Schreianleitung für Schuhfetischisten.

Der Berliner Online-Riese Zalando hat sein neues Headquarter in Friedrichshain besiedelt. Zentrales Element in dem von Henn und Kinzo geplanten Beton Raumschiff ist das Atrium in der Mitte des Hauses, eine Art vertikaler Marktplatz für alle. Und mit etwas Glück findet man auf den Etagen so manches Zitat einer coolen Berliner Location. Ein Spaziergang durch die etwas anderen Prinzessinnengärten.

 

Es klingelt an der Wohnungstür, ein Paketbote mit großen Kulleraugen, in seinen Händen eine weiße Box mit orangem Plektrum. Der Rest ist akustische Fernsehgeschichte: „Schrei vor Glück!“ Der von Jung von Matt inszenierte TV-Kreischer ist seit 2019 zwar offiziell Geschichte, doch dafür hat nun die Hälfte der Zalando-Belegschaft einen wirklich erbaulichen Grund zur Freude. Im Berliner Stadtteil Friedrichshain, ziemlich genau zwischen Mercedes- Benz-Arena und dem legendären Nachtclub Berghain, befindet sich das schicke Headquarter von Europas größtem Online-Anbieter für Schuhe und Fashion – ein siebenstöckiges Doppel-X für 2.700 Mitarbeiter mit innenliegendem Mega-Atrium, eine Mischung aus High-School, Universitätsbibliothek und komplett durchbetoniertem Raumschiff Enterprise.

„Zalando ist ein Teil von Berlin, und Berlin ist ein Teil von Zalando“, sagt Raimund Paetzmann, Vice President Corporate Real Estate im 2008 gegründeten
Unternehmen. „Unser neues Gebäude spiegelt durch diverse Elemente wie etwa die minimalistischen Glasfassaden, die glatten Betonsäulen und die schlichten Holztreppen unsere offene und kreative Berliner Heimat wider. Und es holt die urbane Atmosphäre dieser Stadt mitten ins Haus.“ Geplant wurde das 42.000 Quadratmeter große Gebäude, Resultat eines 2015 ausgeschriebenen, geladenen Wettbewerbs, vom Münchner Architekturbüro Henn. Für die Innenraumgestaltung zeichnen die Berliner Architekten Kinzo verantwortlich.

Zentrales Element des neuen Zalando-Headquarters ist ohne jeden Zweifel das Atrium, eine Art vertikaler Marktplatz mit innenliegender, einladender Holztribüne, die nicht nur Erschließungsachse und Zubringer zum großen Showroom im ersten Stock ist, sondern auch für Veranstaltungen, Aufführungen und monatlich stattfindende All-Hands-Meetings genutzt wird. Bei Bedarf kann das Atrium über Schiebetüren und eine weitere Treppenlandschaft ins Untergeschoß erweitert werden.

„Wir wollten die Mitte des Hauses betonen“, sagt Ina Podzimek, Projektleiterin bei Kinzo Berlin, „und zwar sowohl architektonisch als auch atmosphärisch. Das  schlägt sich zum einen in den grafischen LED-Beleuchtungselementen nieder, die das Atrium umrunden, zum anderen in den informellen Arbeitssituationen, die wir rund um die Öffnung angesiedelt haben.“ Auf allen Etagen ist die Betonbrüstung von temporär nutzbaren Clean-Desk-Arbeitsplätzen gesäumt, die den städtischen Crowd-Charakter dieses Ortes einmal mehr unterstreichen sollen. In den Freibereichen dahinter liegen die sogenannten Living Rooms, die den Mitarbeiterinnen als Meeting- Points und Pausenflächen zur Verfügung stehen. Die Gestaltung unterscheidet sich von Ort zu Ort, wirkt mal schlicht, mal verspielt, mal chaotisch durchgebastelt. „In den Living Rooms greifen wir ikonische Plätze in Berlin auf, die wir architektonisch zitieren und neu interpretieren“, so Podzimek, „ob das nun AVUS, Tresor, Tropical Island, das Stadtbad Wedding oder die ehemalige Radarstation am Teufelsberg ist.“ Im sogenannten Prinzessinnengarten, einem der Hot-Spots im ganzen Haus, wurden in Anlehnung an den mobilen Guerilla-Garden in Berlin-Kreuzberg Holzpodeste zum Sitzen, Liegen, Essen errichtet. Als Blumentröge dienen handelsübliche farbige Kunststoffboxen, wie sie auch von den Berliner Prinzessinnen verwendet werden.

Holz spielt auch in den Büros eine wesentliche Rolle: Während die Arbeitsplätze von Zalando intern gestaltet wurden und eher als nüchterne weiße Leinwand ohne jeden Schnickschnack betrachtet werden können, hat Kinzo aus ganz normalen, unbehandelten Tischlerplatten kleine, stapelbare Kisten gezimmert, die mal Box, mal Regal, mal Raumteiler sein können. Ein freches Schuhkarton-Zitat, ein roughes DIY Element, wie es nur selten in perfekt durchgestylten Offices zu finden ist. Kinzo at its best. Man möchte schreien vor Glück.

 

Autor: Wojciech Czaja, Architekturjournalist

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