Direkt neben den bunt gerahmten Familienbildern steht ein Kalender mit persönlichen Termineinträgen. Die abgenutzte Kaffeetasse mit dem Schriftzug „Vollprofi“ wartet bereits auf eine neue Befüllung. An der Pinnwand hängt eine Grußkarte.
Der persönliche Schreibtisch im Büro – ein Stück Heimat, welches mehr und mehr in Frage gestellt wird. Die Dezentralisierung der Arbeit, sowie Home-Office und Remote Arbeitsmodelle werden zu festen Bestandteilen der neuen Arbeitswelt. Besonders der Wechsel zwischen dem Büro und den eigenen vier Wänden ist in vielen Unternehmen mittlerweile gängige Praxis. Aus diesem Grund werden Büroflächen zunehmend reduziert. Resultat: Ein Schreibtisch pro Mitarbeiter ist oft nicht mehr tragbar.
Zwischen Flächenverdichtung und kreativer Erweiterung.
Man kann nicht beides haben – Home-Office und den persönlichen Arbeitsplatz im Büro: Diese Ansicht vertreten immer mehr Unternehmen. Der verwaiste Schreibtisch während der Home-Office-Tage ist ungenutzte Fläche. Reduziert man diese, indem Bürofläche verdichtet wird, lassen sich Kosten sparen. Eine Möglichkeit, Verdichtung räumlich umzusetzen, ist das gemeinschaftliche Nutzen von Schreibtischen (= Desk Sharing). Der einst persönliche Arbeitsplatz wird dann von mehreren Personen verwendet.
Als Gegenpol zur Verdichtung der Büroflächen findet eine zunehmende Attraktivierung des Büroumfelds statt. Auch bislang ungenutzte Bereiche oder Zonen werden für neue und kreative Raumtypologien genutzt. Working Cafés, Bibliotheken, Campusbereiche oder Mittelzonen unterstützen sowohl Zusammenarbeit als auch ungestörtes und konzentriertes Arbeiten. Modern ausgestattete Kommunikationsräume ermöglichen die Einbindung virtueller Teilnehmer und erleichtern die hybride Kommunikation mit Kollegen außerhalb des Büros. Je mehr unterschiedliche Raummöglichkeiten zur Verfügung stehen, umso leichter finden Mitarbeiter das passende Ambiente für ihre verschiedenen Aufgaben. Während für temporär anwesende Mitarbeiter aus Satellitenbüros meist ein unabhängiger Desk-Sharing-Platz genügt, ist für jene Personen, die alternierend im Büro und im Home-Office arbeiten, besonders die Anforderung an die teamorientierte Zusammenarbeit während der Präsenztage essenziell. Der Kommunikationsfluss innerhalb der eigenen Abteilung oder im Projektteam muss gegeben sein und räumlich unterstützt werden. Die Entscheidung zwischen Flächenverdichtung und Erweiterung der Flächen abseits der Schreibtische ist kein entweder oder: Während die individuelle Arbeitsfläche eingeschränkt wird, bedarf es einer Erweiterung kreativer Bereiche für unterschiedliche Tätigkeiten und teamorientierte Projektarbeit.
Werden Mitarbeiter aus dem Büro vergrault?
Die tatsächliche Umstrukturierung der Bürofläche ist dann aber doch mit einigen Fragen und Problemen verknüpft. Gibt es kein Buchungssystem für Desk-Sharing-Arbeitsplätze, bricht oft der Kampf um die besten Schreibtische aus. Manche sprechen sogar davon, Arbeitnehmer mit diesem System gänzlich aus dem Büro zu vergraulen. Viele bleiben lieber im Home-Office als sich dem Stress der Platz-Suche auszusetzen. Gewohnheitsmenschen haben oftmals Probleme damit, sich täglich neu orientieren zu müssen und ihre Arbeitsweise anzupassen. Betreibt ein Unternehmen Desk Sharing, ist unweigerlich auch eine Clean Desk Policy zu etablieren. Der Schreibtisch ist dann zu Feierabend völlig leer und sauber zu verlassen. Schließlich kann bereits am nächsten Tag ein anderer Mitarbeiter den Arbeitsplatz beanspruchen.
Türöffner zur neuen Arbeitswelt.
Es gibt jedoch Wege, die Organisation in gemeinschaftlich genutzten Arbeitsbereichen zu erleichtern. Dem morgendlichen Stress rund um das Suchen eines geeigneten Schreibtisches kann mit einem Vorab-Buchungssystem der Plätze entgegengewirkt werden. Schon am Vortag oder zu Beginn der Woche besteht die Möglichkeit, einen Schreibtisch zu reservieren. Das sorgt für einen geregelten und entspannten Ablauf. Mobile Trolleys oder Locker für jeden Mitarbeiter sparen Zeit beim Einrichten eines temporären Arbeitsplatzes.
Um die Zusammenarbeit für die Abteilungen trotz Schreibtisch-Distanz zu erleichtern, unterstützt das Schaffen von Kreativräumen, Meetingräumen und Mittelzonen die Abstimmung und Kommunikation. Noch effizienter ist es, das Bürokonzept in Form von Open Units im Stile moderner Coworking Spaces zu planen. Man schafft ein gemeinsames räumliches Umfeld im Open Space für Personen, die eng zusammenarbeiten, mit großem organisatorischem und gestalterischem Spielraum. Dabei helfen akustisch wirksame Möbel und Paravents beim Abschirmen und Zonieren. Für das konzentrierte Arbeiten und Remote-Gespräche stehen eigene Rückzugsbereiche wie Silent Rooms zur Verfügung.
Desk Sharing und kollektive Büroflächen können nicht in allen Unternehmensbereichen sinnvoll eingesetzt werden. Manche Mitarbeiter sind aufgrund ihrer Tätigkeit nach wie vor dauerhaft an ihren Schreibtisch gebunden. Aber auch hier sind bei der Planung gemeinsam nutzbare Zonen anzudenken. Für eine sinnvolle und effiziente Gesamtplanung der Büro-Layouts bedarf es einer durchdachten Struktur, welche die Workflows und Kommunikationsströme bestmöglich abbildet.
Trotz mancher Schwierigkeiten und Bedenken rund um den Verlust des individuellen Arbeitsplatzes öffnen gemeinsam genutzte Office-Bereiche viele Türen in die Welt des neuen Arbeitens. Von vermehrter Collaboration bis zu Activity Based Working bieten sie Raum für alle Arbeitsformen. Gerade weil die Digitalisierung immer mehr Routine-Prozesse vereinfacht und somit ortsunabhängiges Arbeiten ermöglicht, wird das Büro noch mehr zu einem wichtigen Treffpunkt, an dem das Miteinander gefördert wird. Die Vielfalt an gemeinsam nutzbaren Räumen unterstützt Teamarbeit und erzeugt soziale Reibung – der Nährboden für innovative Ideen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Unternehmenskultur: Mitarbeiter sollten trotz Home-Office und Remote-Arbeit gerne ins Büro kommen und dort ein unterstützendes Ambiente für ihre Tätigkeiten vorfinden.
Autor: Helena Pumberger, Wiesner-Hager Content-Redaktion