Je mehr wir im Home-Office sitzen und remote arbeiten, umso wichtiger wird es sein, attraktive Orte für Team-Spirit und Unternehmenskultur zu schaffen. Damit ergibt sich für das Post-Corona-Office ein klares Anforderungsprofil. Und ja, das ist mehr als bloß eine instagram-taugliche Lobby.
Zu Beginn der Corona-Pandemie hat sich das OWIU Design Studio mit Sitz in Los Angeles damit befasst, wie wir in Zukunft arbeiten werden. Im Fokus stand die Entwicklung von Lobbys, Pausenräumen und Konferenzbereichen, in denen sogenannte „soziale Distanz“ möglich ist. Grundlage dafür war der 1914 entwickelte „Plan Libre“ von Le Corbusier: Innerhalb eines offenen, flexiblen Layouts mit Pergolen, Holzpodesten und modular aufgebauten Raumsequenzen sollten unterschiedliche Möbel und Nutzungen implementiert werden. Dank Weite, Höhe und Luft sollte dem Virus auf diese Weise das Leben schwer gemacht werden.
Entstandene Leere füllen.
Der durchaus fesche, renderfotogene Beitrag von OWIU hat es in sämtliche Architekturblogs geschafft, von dezeen über archello bis architizer, und wurde sogar auf Twitter und LinkedIn abgefeiert. Allein, heute wissen wir: Die große Herausforderung nach zwei Jahren Pandemie ist nicht, wie wir zwischen die Menschen möglichst viel Distanz hineinpferchen, sondern wie wir die durch Home-Office und Remote-Working entstandene Leere im Büro wieder zu füllen gedenken. Oder, wie der Wiener Zukunftsforscher Tristan Horx sagt: „Vor ein paar Jahren haben wir erkannt, dass die Cubicles gescheitert sind. Und nun wissen wir, dass auch das klassische Open-Office, das wir in den letzten zehn Jahren propagiert haben, ein Auslaufmodell ist.“ Aktuell arbeitet Horx an einem Buch über die Zukunft des Arbeitens. Den Titel will der 29-jährige Zukunftsforscher noch für sich behalten. Geplanter Erscheinungstermin: 2023. Nur so viel kann er schon verraten: „Die Zeiten von Anwesenheitspflicht und permanenter Präsenz im Büro sind vorbei. In Zukunft werden wir differenzieren, ob wir konzentriert oder kollektiv arbeiten wollen, ob wir lieber alleine oder in Gesellschaft sind. Je nach Branche, Unternehmen und Tätigkeitsspektrum schätze ich, dass uns langfristig eine Home-Office-Quote von 30 bis 70 Prozent erhalten bleibt. Fragt sich nur: Was tun mit dem vielen leeren Raum?“
Bei kleineren Firmen, meint Sabine Zinke, Senior Consultant bei M.O.O.CON, zuständig für den Bereich Arbeitswelten, stelle sich diese Frage nicht. „Es ist in der Praxis wohl kaum möglich, 100 oder 200 Quadratmeter Bürofläche abzumieten. Ab einer Größenordnung von 300 Mitarbeitern jedoch sind bereits potenzielle Flächeneinsparungen möglich.“ Hat man im Erste Campus zum Zeitpunkt der Besiedelung noch von einem branchenweit radikalen Arbeitsplatz-Schlüssel von 0,7 gesprochen (also 7 Schreibtische für 10 Vollzeitarbeitsplätze), so ist dieser Wert in Österreich heute bereits üblicher Standard. „In manchen Unternehmen rechnen wir bereits mit einem Schlüssel von 0,55 bis 0,6“, so die Expertin. Dennoch dürfe die Einsparung nicht der primäre Motor für Veränderung sein. Viel eher geht es um die Implementierung von differenzierten Flächen für Fokus-Arbeiten einerseits sowie für informelles, oft auch spontanes Brainstormen andererseits. „Eine der wichtigsten Aufgaben künftiger Bürowelten wird sein, Orte für zufällige Begegnungen zu bieten“, so Zinke. „Aber natürlich müssen die Räume auch mit der nötigen Technik ausgestattet sein, um digitales und hybrides Arbeiten mit perfekten, reibungslosen Schnittstellen zu ermöglichen.“
Für Bernhard Kern, Geschäftsführer der Roomware Consulting GmbH, wird Employer Branding an Bedeutung zunehmen. „Zur Stärkung der Kommunikation und zum Vermittel der eigenen Unternehmenskultur wird man ein sehr attraktives Angebot bieten müssen, um die Mitarbeiter möglichst oft ins Büro zu locken.“ Wichtige Tools dafür sind hochwertige IT-Medien sowie eine möglichst heterogene Bürolandschaft mit vielen unterschiedlichen Arbeitsplatzangeboten. Kern: „Eine schöne, instagram-taugliche Lobby allein, wie manche glauben, wird nicht reichen. “Wie dieser Büro-Change aussehen kann, beweisen etwa der Büroneubau von ACP TEKAEF in Ried im Innkreis, Oberösterreich, sowie das vor einigen Monaten besiedelte Büro der Pharmig, des Verbands der pharmazeutischen Industrie Österreichs. Letzteres hat sich, jawohl, von 650 auf 480 Quadratmeter verkleinert, „doch diese Reduktion“, meint Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog, „ist kaum zu spüren. Denn einerseits haben wir im ganzen Büro Shared-Desk-Policy, und andererseits haben wir von Anfang an darauf Wert gelegt, jedem Raum und jedem Arbeitsplatz mehrere Funktionenzu geben.“ Ist der Chef mal nicht im Hause, so mutiert dessen Zimmer auf Knopfdruck in ein Besprechungszimmer, das mittels App für ein Meeting reserviert werden kann.
Und auch im Bankwesen hat Corona seine Spuren hinterlassen. In den kommenden Jahren soll der Hauptsitz der Kärntner Sparkasse am Neuen Platz in Klagenfurt komplett umgebaut werden. Mit einem Arbeitsplatz-Schlüssel von 0,6 entstehen Flächenreserven von bislang ungeahnten Ausmaßen. „Corona stellt das klassische Büro komplett auf den Kopf “, sagt Vorstandsvorsitzende Gabriele Semmelrock-Werzer. „Ein großer Teil des Teams wird im Home-Office arbeiten, damit müssen wir uns anfreunden, und das ist auch gut so. Unsere Aufgabe wird es sein, den geografischen Ort des Büros mit Wertigkeit aufzuladen, sodass wir auch in Zukunft den Team-Spirit stärken und die eigene Unternehmenskultur leben können. Wir müssen den Begriff Büro komplett neu definieren. Eine spannende Aufgabe.“ Das Büro in Post-Corona-Zeiten, so viel ist klar, hat nichts mit Leere, lästigen Viren und herumstehenden Plexiglas-Trennwänden zu tun. Das Post-Corona-Büro ist vor allem ein Hort von Vielfalt, Leichtigkeit und zwischenmenschlicher Flexibilität.
Autor: Wojciech Czaja, Architekturjournalist