Er gilt als Vorreiter für New Work. Er wurde 2015 vom Contract Magazine (Leitmedium für Innenarchitektur in den USA) zum „Designer of the Year“ gekürt. Er besitzt selbst keinen eigenen Arbeitsplatz. Er hält die Menschen in Büros am Laufen. Er ist Martin Lesjak, Gründer und Geschäftsführer des Architekturbüros INNOCAD und des Designlabels 13&9. Wir haben uns mit ihm getroffen und über seine Arbeitsphilosophie, aktuellen Projekte und Visionen gesprochen.
Mit Microsoft Österreich haben Sie im Jahr 2011 ein Vorzeigeprojekt für New Work geschaffen. Was haben Sie aus dem Projekt für sich mitgenommen?
Lesjak: Im Rahmen von Microsoft haben wir uns erstmals wirklich intensiv mit dem Thema „Neues Arbeiten“ auseinandergesetzt. Das Projekt hat sich tatsächlich zu einem Flagship in Europa entwickelt. 12.000 Bürobesichtigungen sprechen für sich, was aber natürlich auch dem außergewöhnlichen Design mit dieser ganz speziellen vielschichtigen Ästhetik sowie der inhaltlich funktionalen Konsequenz geschuldet ist. Mittlerweile stehen Projekte wie dieses auf unserer Tagesordnung und sind ein Schwerpunkt unseres Tuns geworden.
In welche Richtung hat sich New Work in den letzten Jahren weiterentwickelt?
Lesjak: Heute geht die gestalterische Tendenz eindeutig mehr in Richtung Klarheit. Inhaltlich liegt der Fokus auf Well-being und Gesundheit. Das Design ist ruhiger und eleganter, aber es sieht funktional und ästhetisch natürlich trotzdem nicht mehr wie im klassischen Büro aus. Für Teamarbeit kommen auch verstärkt Creative-Labs, die das Out-of-the-Box-Denken fördern.
Wie ist Ihre New Work-Philosophie?
Lesjak: Bei New Work geht es darum, hybride Strukturen zu schaffen, die sehr gut durchmischt sein müssen, spontane Begegnung fördern und Mitarbeitern Wahlmöglichkeiten lassen, je nach Tätigkeit, an einem anderen, selbst gewählten Ort zu arbeiten. Wichtig ist, dass die 3 Säulen << Mensch, Technik und Raum >> zusammenspielen. Die jeweilige Ausprägung hängt vom Unternehmen selbst ab. Ein Beispiel: Wenn ein Unternehmen nur Festnetztelefone und Standcomputer hat, dann ist der Mitarbeiter natürlich ortsgebunden. Hier empfehlen wir offene und geschlossene Meetingzonen, um die Gemeinschaftszonen zu zentrieren und Austausch zu generieren.
Wie gehen Sie in der Regel an Projekte heran?
Lesjak: Im Normalfall beginnen wir mit Workshops, in denen wir versuchen, den Mitgliedern des Projektteams im ersten Schritt die Möglichkeiten des Neuen Arbeitens aufzuzeigen – was es heißt, was es bringt, warum es entstanden ist. In einem zweiten Schritt versuchen wir genau zu verstehen, wie bisher gearbeitet wurde und welche Umsetzung in welcher Konsequenz richtig wäre. Erst dann beschäftigen wir uns mit dem Raum an sich.
Wie sieht ein New Work-Büro aus?
Lesjak: Kurz und knapp: konsequent offen, aber durchdacht zoniert.
Das bedeutet in der Praxis?
Lesjak: Ein offenes Raumkonzept, um die Menschen zusammenzubringen. Soziale Reibung ist der Motor für Innovationen in einem Unternehmen. Unser Hauptcredo ist daher immer keep people moving – natürlich auch aus Gründen der Gesundheit. Es schadet nicht, 20 Meter zum Kopierer zu gehen oder für ein Meeting das Stockwerk zu wechseln. In puncto Zonierung geht es um eine durchdachte Abfolge von We-Places, Me-Places und Work-Places.
Man sieht, dass das Neue Arbeiten gerade in alle Branchen einzieht. Sehen Sie Unterschiede in der Umsetzung?
Lesjak: Es gibt, ehrlich gesagt, nicht allzu viele Verschiedenheiten. Wir setzen die Kernpunkte unserer Philosophie in allen Projekten um. Was aber wirklich überall vorkommt, ist die Frage nach Einzelbüros. Im europäischen Raum schaffen wir es meist, die Entscheider zu überzeugen, ohne Einzelbüros auszukommen. Im anderen Fall raten wir dann zu Executive Lounges, die von mehreren Führungskräften abwechselnd belegt werden.
Die Volksbank Bozen ist eines Ihrer herausragenden neuen Büroprojekte – funktioniert New Work auch in einer Bank?
Lesjak: Natürlich. Gerade in der Volksbank Bozen wird New Work gelebt. Es handelt sich um ein dreistöckiges Gebäude mit jeweils 2.000 Quadratmemeter Bürofläche. Der Neubau war mit einem massiven Change-Prozess verbunden. Selbst der Vorstand sitzt nun im Open Space, der so geschickt angelegt ist, dass er trotzdem eine stark zonierte Struktur hat. So sind maximal 8 bis 12 Personen innerhalb einer Zone platziert. Ergänzend gibt es kleine Meeting-Einheiten, Rückzugs- und Serviceräume. Das Erdgeschoss umfasst eine Bankfiliale, ein Veranstaltungszentrum mit Meeting- und Konferenzbereichen, einen Betriebskindergarten und ein öffentliches Café.
Ihr Portfolio zeigt, dass Sie viele internationale Projekte realisieren, warum haben Sie Graz zu Ihrem Stützpunkt erwählt?
Lesjak: Etwa die Hälfte unserer Projekte findet in Österreich statt. Der Rest im Ausland – hauptsächlich in Europa, Amerika und im Mittleren Osten. Unser Hauptsitz ist aus historischen Gründen in Graz. Wir sind hier gestartet und es ist im wahrsten Sinne des Wortes unsere Home-Base.
Eine letzte Frage, Herr Lesjak, – recherchiert man auf Ihrer Website, dann stößt man immer wieder auf ein goldenes Herz. Was hat es damit auf sich?
Lesjak: Lacht. Sie meinen unser Wappen, das Heart of Gold. Es ist das Kernstück unseres Unternehmens und hat sowohl eine physische als auch eine philosophische Bedeutung. Zum einen als Anspielung auf unser Bürogebäude, das Golden Nugget, mit seiner goldenen, rautenförmigen Fassade. Zum anderen ist es ein Symbol für die Leidenschaft, die man für den Beruf als Kreativer haben sollte, und gleichzeitig auch ein sozialer Auftrag, als Herz für die Umwelt und die Mitmenschen.