Silicon Savannah: Die neuen Coworking-Hubs in Nairobi.

Rund um Nairobi entsteht derzeit einer der größten und wichtigsten Technologie-Cluster der Welt. In den Coworking Spaces von iHub, Nailab und Nairobi Garage wurden schon einige Apps entwickelt, die den Alltag in Afrika nachhaltig verändert haben. Ein Spaziergang durch Silicon Savannah.

 

Im Westen der Innenstadt wird der Verkehr ruhiger, die Bebauung lockerer, das Land mit jedem Schritt grüner und grüner. Man spaziert an Kirchen, Volksschulen und Restaurants aus aller Frauen und Herren Länder vorbei, als am Straßeneck von Galana Road und Lenana Road plötzlich ein schwarz verglastes, mit Betonplatten verkleidetes Bürohaus in den Himmel ragt. So unscheinbar die Hardware der sogenannten Senteu Plaza, so faszinierend gibt sich die darin verborgene Software. „Ich gebe zu, das ist eine ziemlich unspektakuläre Keimzelle“, sagt Erik Hersman. „Aber tatsächlich ist dieser Ort ein wichtiger Teil der Entstehungsgeschichte der Silicon- Savannah-Story. Hier hat alles angefangen.“

Hersman, roter Bart, Glatze und die Statur eines Türstehers, dem man sich lieber nicht in den Weg stellt, wuchs in Florida, in Kenia und im Sudan auf und hat sich darauf spezialisiert, den schwarzen Kontinent zu einem Tech-Hub, zu einer digitalen Oase mit wilden, innovativen Start-ups auszubauen. 2010 gründete der „Weiße Afrikaner“, wie der Blogger und Technologieexperte mittlerweile von allen genannt wird, in der kenianischen Hauptstadt Nairobi die Coworking Plattform iHub, einen Open Space für Geeks, Nerds, Hacker, Technologen und alle an ihnen interessierten Investoren. „iHub“, sagt der 42-Jährige, „ist ein Inkubator, ein Brutkasten für neue Ideen, ein Gründerzentrum für Jungunternehmen in der IT-Branche.“

Bildung durch Apps.

Die Räumlichkeiten sind unspektakulär. Eine Bar wie in einem Waldviertler Gasthaus, Holztische und bunte Plastikstühle wie in jeder mittelmäßig gestalteten Kantine, eingepackt ist das Ganze in Laminatboden, Akustikdecke und ein paar großblättrige Pflanzen, die in der Raummitte aus bunten Blumentrögen ragen, ganz so, als wollten sie beweisen, dass die digitale Savanne in Afrika gar nicht so dürr und ausgetrocknet ist, wie die meisten von uns Nichtafrikanern irrtümlicherweise annehmen würden. Und doch haben hier einige der wichtigsten und mittlerweile höchstbewerteten Tech-Unternehmen Afrikas das Licht der virtuellen Welt erblickt. Es sind intelligent gestaltete Apps, die das Leben der in Kenia lebenden Menschen erleichtern sollen und auch auf den einfachsten, billigsten Handys und Tablets installiert werden können: Die Lernplattform eneza, eine Art virtueller Lehrer, soll die Bildung im vor allem ländlichen Raum steigern und wird bereits von mehr als vier Millionen Schülerinnen und Schülern genutzt.

Das 2013 gegründete Start-up BRCK hat sich darauf spezialisiert, Laptop- Klassen zu bauen und damit abgelegene Steppenregionen mit WIFI auszustatten und auf diese Weise ans Internet anzuschließen. In Entwicklung befinden sich gerade erste Apps für Gehörlose, die sich darum bemühen, in sämtlichen Bevölkerungsschichten eine einheitliche Gebärdensprache einzuführen.

Digitalisierung in der Wirtschaft.

Auch in anderen Sektoren ist vieles in Bewegung: Mit dem Buupass können Kenianer erstmals online öffentliche Verkehrstickets für Bus und Bahn kaufen. Mit der E-Cow, einer virtuell agierenden Hebamme, können Rinderherden gezielt vergrößert werden. M-Farm wiederum schließt Bauern und lokale Händler kurz und sorgt dafür, dass die Ware auf kürzestem und lukrativstem Wege – ohne den Umweg über großindustrielle Zwischenhändler – zum Kunden gelangt. Und mHealth kümmert sich darum, dort anzusetzen, wo die öffentliche Hand ihrer Arbeit nicht mehr nachzukommen imstande ist, und versorgt die Menschen außerhalb der Städte in Form von Public Private Partnerships mit Projekten und Dienstleistungen im Gesundheitsbereich.

„iHub hat überhaupt nichts Inszeniertes oder Überkandideltes wie viele andere Coworking Spaces im europäischen und angloamerikanischen Raum“, sagt Karin Krobath, Gründungspartnerin der österreichischen Agentur Identitäter, die sich auf Employer Branding und Corporate Culture spezialisiert hat und die seit der Entdeckung der afrikanischen Tech-Szene regelmäßig Learning Journeys nach Nairobi veranstaltet. „iHub ist eine authentische und bodenständige Bühne für all jene, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, echte Lösungen für echte Probleme zu finden.“ Neben iHub, erzählt Krobath, gebe es auch weitere, bereits aktiv an der Tech-Wirtschaft partizipierende Hubs und Coworking Plattformen wie etwa Nailab und Nairobi Garage.

Silicon Savannah.

Aufgrund der hohen Dichte an innovativen Tech- Start-ups – und in Anlehnung an Silicon Valley in Kalifornien – ist die Region rund um Nairobi in der Zwischenzeit als Silicon Savannah in die digitalen Wirtschaftsatlanten eingegangen. „Und ich kann aus meiner Beobachtung sagen, dass wir mit unseren Vorurteilen und Fehleinschätzungen den afrikanischen

Markt massiv unterschätzen“, so Krobath. „Hier werden bottom-up gerade riesige Entwicklungsschritte gemacht, die keine Regierung und keine NGO dieser Welt in dieser Geschwindigkeit schaffen würde.“ Zu den wichtigsten digitalen Entwicklungen am Tech-Markt zählt die Identitäterin die beiden Startups M-Pesa und M-Kopa, die bereits das Leben von Millionen Menschen verändert haben. M-Pesa, ein Kooperationsprojekt von Safaricom und Vodafone, ist mit fast 30 Millionen Kunden das größte und erfolgreichste Mobilfunk-Bezahlsystem der Welt. Sogar im Taxi und auf dem Markt wird heute bereits mit M-Pesa bezahlt. Möglich ist dies, indem neue Funktionen in die SIM-Karte eingebaut wurden. Und M-Kopa verbreitet – dort, wo die Menschen an kein reguläres Stromnetz angebunden sind, und das sind immerhin 70 Prozent der Bevölkerung – kompakte Heim-Solaranlagen, die auf Ratenbasis abgezahlt und die für LED-Glühbirnen sowie zum Aufladen von Smartphones und Laptops verwendet werden.

Rund 500 Start-ups.

„Die Start-up-Szene in Afrika boomt, und zwar wirklich“, sagt Karin Krobath, die in den rund 500 jungen Technologieunternehmen in Silicon Savannah das Phänomen des Leap-Froggings, also des Überspringens von technologischen Entwicklungsschritten, bestätigt sieht. Wo andere Länder seit Jahren schon an der Implementierung von digitalen, mobilen Zahlungsmethoden arbeiten, ist es in Kenia, Nairobi, Südafrika – und mittlerweile auch schon in Rumänien und Albanien – längst gang und gäbe, das Kilo Rindfleisch am Markt mit M-Pesa zu begleichen. „Silicon Savannah digitalisiert sich mit rasender Geschwindigkeit“, so Krobath. „Das erregt natürlich auch das Interesse der Investoren. Und ich denke, dass dieser Boom die Chance bietet, dass sich der Kontinent aus eigener Kraft substanziell weiterentwickelt. Da können wir noch alle dazulernen.“

 

Autor: Wojciech Czaja, Architekturjournalist

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