Desksharing ist ein Trend, der immer mehr zunimmt. Doch was sind die Vor- und Nachteile? Was muss man als Arbeitgeber beachten, wenn man seinen Mitarbeitern lediglich einen geteilten Arbeitsplatz anbietet? Und wie sieht die Zukunft dieses vielfach missverstandenen Phänomens aus?
Heute Peter, morgen Sabine und übermorgen die neue Praktikantin aus Papua-Neuguinea. Nachbarschaft ist ein flexibler, dehnbarer Begriff im Desksharing-Office. Denn im Gegensatz zum klassischen Büro hat man keinen fixen Arbeitsplatz, sondern schlägt dort seine temporären Zelte auf, wo gerade Platz ist. Besonders verbreitet ist die Schreibtischgemeinschaft in der Telekombranche und bei IT-Unternehmen, also überall, wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter es gewohnt sind, viel unterwegs zu sein und bei Bedarf mobil zu arbeiten.
„Desksharing ist kein Patentrezept für jede Tätigkeit und schon gar nicht für jedes Unternehmen“, meint Sibylla Amstutz von der Hochschule Luzern. Sie ist Leiterin des Bereichs Human Building im Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP). „Es ist wichtig, dass die jeweilige zu verrichtende Tätigkeit mit wenig Papier und wenig Arbeitsutensilien verbunden ist und auf diese Weise Desksharing gestattet. Doch das wichtigste Kriterium ist, dass das Desksharing Identität vermittelt und zur Unternehmenskultur passt.“ Ein weiterer Aspekt des Erfolgs ist das Kompensieren des räumlichen Verlusts des eigenen Arbeitsplatzes. Das heißt: „In einem Desksharing-Office nimmt man den Leuten etwas Substanzielles weg, nämlich Privatsphäre und den Anspruch auf ein eigenes Revier. Aus diesem Grund ist es wichtig, diesen Verlust mit anderen Qualitäten aufzuwiegen.“
Mittelzonen und Stauraum als emotionales Zuhause auf Zeit.
Beispiele dafür gibt es genug. „Beim Einführen von Desksharing muss man darauf achten, dass es eine gewisse Auswahl an räumlichen Qualitäten sowie an informellen Besprechungsinseln gibt“, erklärt Bernhard Kern, Geschäftsführer der Roomware Consulting GmbH. „Man wird sich also vor allem darauf konzentrieren, die meist etwas schlecht beleuchtete Mittelzone attraktiv zu gestalten. Und zwar lieber von allem ein bisschen zu viel als zu wenig, denn schließlich muss man den Angestellten so etwas wie ein gefühltes, emotionales Zuhause auf Zeit bieten.“
Vor allem aber sei es wichtig, mit dem Wegfall des fixen Arbeitsplatzes entsprechenden Stauraum für Arbeitsutensilien und persönliche Gegenstände einzuplanen. Kern: „Stauraum ist unabdingbar. Ob man diesen in Form von mobilen Rollcontainern oder fixen Ablagen vorsieht, ist letztendlich Entscheidung des Unternehmens. Unterm Strich ist wichtig, dass das Gesamtkonzept stimmig ist.“ Etwas differenzierter fällt die Beobachtung von Oliver Pestal, Planer beim Wiener Bürogestalter designfunktion, aus: „Rollcontainer funktionieren dort, wo sich die Menschen in den letzten 50, 60 Jahren daran gewöhnt haben, in kleinen Cubicles ohne Privatsphäre zu arbeiten und diese immer wieder wechseln müssen, also vor allem in Großbritannien und in den USA.
In Mitteleuropa hingegen plädiere ich dafür, den Mitarbeitern ein Minimum an Revier zu bieten, und wenn es nur ein persönlich zugewiesener, fix eingebauter Schrank ist.“ So manches Bürokonzept im deutschsprachigen Raum, wo dies nicht berücksichtigt wurde, sei gescheitert und musste entsprechend nachgerüstet werden, so Pestal.
„Die größte Gefahr von Desksharing sehe ich darin, dass sich der Arbeitgeber damit in erster Linie erhofft, wertvolle Nutzfläche und somit Betriebskosten zu sparen“, warnt Bernhard Herzog, Leiter Forschung und Entwicklung bei M.O.O.CON. „In diesem Fall rate ich von Desksharing vehement ab, denn der eigentliche Impetus sollte die Nutzung von Synergieeffekten sowie der Wunsch nach einer gewissen Optimierung der Arbeitsabläufe sein.“ Im Vordergrund aller Projekte steht das sogenannte Activity Based Working, eine Art gedankliche Weiterentwicklung des klassischen Desksharings. Denn: „Nicht für jede Tätigkeit ist der Schreibtisch der beste Arbeitsplatz“, so Herzog. „Manche Arbeiten lassen sich in anderen räumlichen Konfigurationen und Konstellationen besser verrichten. Wenn man das alles berücksichtigt, schafft man abhängig vom Bedarf ein diversifiziertes und vielfältiges Arbeitsplatzangebot. Darin sehe ich das eigentliche Potenzial von Desksharing.“
Desksharing – keine Allround-Lösung.
Zurück zu Peter und Sabine. Oder doch zu Anna und dem neuen Außendienstmitarbeiter Maximilian? Desksharing, ob nun auf einer gemeinsamen Workbench oder in individuellen, abgeschotteten Arbeitsplätzen, dürfe niemals auf Kosten der Mitarbeiter gehen, sagt Sibylla Amstutz, Hochschule Luzern. Daher sei es wichtig, Desksharing-Mitarbeitern stets eine Homebase innerhalb der gleichen Abteilung anzubieten, die wiederum eine gewisse Anzahl von Mitarbeitern nicht überschreiten solle.
Wie sieht die Zukunft der geteilten Schreibtische aus? In einem sind sich die Experten einig: Desksharing wird niemals die Allround-Lösung für alle sein, sondern eine spezielle Lösung für spezielle, modern agierende Unternehmen bleiben. Oder, wie Bernhard Herzog meint: „Desksharing ist ein Trend, der nicht zu übersehen ist und weiterhin zunehmen wird, allein schon aufgrund der Tatsache, dass unser Arbeitsleben immer mobiler wird. Jedoch zu glauben, dass eines Tages jedes zweite Büro ein Desksharing-Office sein wird, ist eine Illusion.“
Autor: Wojciech Czaja, Architekturjournalist