Hotels spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, den Markt mit Meeting- und Conference-Facilities zu versorgen. Doch mit Corona und der zunehmenden Digitalisierung der Business-Communication hat sich die Situation dramatisch verändert. Ein ermutigender, lustmachender Blick in die Konferenzräume der Zukunft.
Es ist, als hätte man in einem Fabrikloft Platz genommen, in dem für ein paar Sekunden ein schneller Hauch von Modern Talking und Miami Vice durchgeweht hätte. Einerseits Factory-Windows, nackte Spiro-Lüftungsrohre und eine ziemlich roughe Decke aus grauem Heraklith. Andererseits dunkle, bühnengraue Wände und ein grau-violett karierter Schachbrett-Teppichboden, der ein bisschen den Charakter eines postmodernen, chromatischen Unfalls verkörpert. Fehlen nur noch die Kaltrauchschwaden, aus denen plötzlich Thomas Anders und Don Johnson auftauchen. „Die Zeiten der reinen Bedarfsdeckung und der klassischen Mehrzweckräume ohne Atmosphäre und ohne Charakter sind vorbei“, sagt Erich Bernard, Managing Partner im Wiener Architekturbüro BWM. „Vor Corona, als der Run auf den Conference-Hospitality-Bereich noch riesig und die Nachfrage größer als das verfügbare Angebot am Markt war, gab es keine wirkliche Konkurrenzsituation. Aber mit Corona ist aus dem Nachfragemarkt innerhalb kürzester Zeit ein Angebotsmarkt geworden. Wer heute im Eventbereich erfolgreich sein will, der muss sich schon was einfallen lassen!“ Vor wenigen Monaten stellte BWM das neue Hotel Gilbert in der Breiten Gasse fertig, nur wenige Schritte hinter dem Wiener Museumsquartier, im September fand das Open-House des Refurbishment-Projekts statt. Das Hotel, ein Crossover aus Urban-Stay und Industrial-Luxury, verfügt über 56 Zimmer und birgt in seinem Zentrum eine glasgedeckte, lichtdurchflutete Lobby mit Bar, Restaurant und gemütlicher Chill-out-Lounge samt Kamin und Omama-Kacheln. Daran angrenzend finden sich, leicht enthoben im ersten Stock mit großen Fenstern und einseitig umlaufender Galerie, zwei Konferenzräume für zwölf und 30 Personen.
Noch dramatischer, noch betörender präsentiert sich das von BWM errichtete Marriott am Potsdamer Platz in Berlin (2018). Hinter einem sanften Vorhangschleier im großen Konferenzsaal tauchen in Neonschrift poetische Begriffe der Begegnung auf: connect, inspire, imagine, celebrate. In den Pre-Function- und Break-out-Bereichen hingegen inszenierte BWM ein Art-Deco-Flair mit dunklem Holzfurnier, hochglanzlackiertem Plafond, flauschigem Samt, messingfarbenen Möbeln und geometrischen Wandapplikationen, die an Chrysler Building, The Great Gatsby und die Goldenen New Yorker Zwanzigerjahre erinnern.
Konferenz mit Wohnzimmerflair
„Es muss warm, weich und richtig cosy sein“, sagt Bernard. „Die Kundinnen und Konferenzbesucher sehnen sich nach Farben und Textilien, nach einem bequemen Laid-Back- und Low-Seating, nach einer reibungslosen Multifunktionalität, die sich aber hinter der Optik eines schönen, behaglichen Wohnzimmers verbirgt.“ Und im Gegensatz zu früher, so der Architekt, gewinne auch der Break-out- und Pre-Function-Bereich immer mehr an Bedeutung. „Und nein, das ist kein Wunschdenken und auch kein architekturtheoretischer Überbau, sondern die Realität. Seit Corona habe ich nie wieder an einer Konferenz teilgenommen, die mich räumlich kaltgelassen hätte. Die meisten Events haben an ziemlich sensationellen Locations stattgefunden, oft mit einem tollen Ausblick auf die Stadt oder in die Landschaft hinaus. Die Konkurrenz ist groß geworden. Im Zeitalter von Zoom und digitalen Konferenzen überleben nur die Besten.“
Das bestätigt auch Susanne Baumann-Söllner, Vizepräsidentin für Kongressmanagement im Internationalen Amtssitz- und Konferenzzentrum Wien (IAKW) und zugleich Sprecherin des Vorstands im ACV Austria Center Vienna, dem mit Abstand größten Kongresszentrum Österreichs. „Architektur – und damit verbunden ein gewisses räumliches und technisches Erlebnis – wird immer wichtiger, denn Konferenzen haben nicht nur die Aufgabe der Wissensvermittlung, sondern auch des Netzwerkens und einer sinnlichen Erfahrung abseits des normalen Arbeitsalltags. Mit Corona und dem Siegeszug der digitalen Kommunikation ist dieser Stellenwert physischer Zusammenkunft noch wichtiger geworden.“
Und für Christiane Unawatuna Hewage, Director of MICE bei der Verkehrsbüro Hospitality, geht es vor allem um die technische Ausstattung und die räumlichen und digitalen Möglichkeiten vor Ort: „Früher wurden Konferenzräume im Hospitality-Bereich meist ein Jahr im Voraus gebucht. Heute aber trudeln Buchungen auch zwei oder drei Monate vor dem Event ein. Damit haben sich auch die Stornierungskonditionen verändert, und natürlich müssen Hotels heute in der Lage sein, sehr spontan und kurzfristig auf Änderungen zu reagieren.“
Findet das Event statt? Ist es eine rein analoge oder hybride Veranstaltung? Welche Möglichkeiten gibt es, auf etwaige neue Regierungsverordnungen wie etwa Hygiene, Abstandsregelung und Pausenbewirtung zu reagieren? Und was macht man, wenn die Konferenz ausschließlich im digitalen Raum stattfindet? Dazu wurde im Austria Trend Hotel Savoyen in der Nähe von Botanischem Garten und Belvedere im Pandemiejahr 2020 eine klassische Suite geopfert und zu einer Streaming-Suite umgebaut – mit schallisoliertem Medienraum, Regieraum, zwei Vortragsräumen und sogar einem Vorbereitungsraum für Sprecher.
Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die ökologische Nachhaltigkeit, die auch vor der Conference-Branche nicht Halt macht. „Meine Erfahrung zeigt, dass viele große Firmen ihre Konferenzen und Symposien nur dort veranstalten, wo sie auch ein zertifiziertes Green Meeting abhalten können“, meint Michaela Reitterer, Eigentümerin des Hotels Stadthalle und bis Anfang des Jahres langjährige Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV). „Ich rate allen Hotels und Hoteliers, hier entsprechend zu investieren, wenn sie am Markt auch weiterhin erfolgreich bleiben möchten.“
Die deutsche Hotelexpertin Maria Pütz-Willems, Herausgeberin der Branchennews Hospitality Inside, formuliert diesen Punkt noch schärfer: „Das semiprofessionelle Mama-Papa-Hotel, das irgendwo einen wie auch immer gestalteten Meeting-Raum betreibt, hat ausgedient. Denn große, börsennotierte Firmen, die sich ihren Aktionären und Stakeholdern gegenüber zu gewissen ökologischen Governance-Standards verpflichtet haben und regelmäßig nachweisen müssen, dass sie nachhaltig agieren, dürfen Hotels ohne grüne Zertifizierung nicht einmal mehr anfragen. Hier ist die Hotelbranche gut beraten, ihren Conference-Bereich schnellstmöglich zu adaptieren.“ Zu den wichtigsten Aspekten grüner Zertifizierung zählen öffentliche Erreichbarkeit, eine gute verkehrstechnische Option für die letzte Meile, Verzicht auf Verpackungen im Bereich von Essen, Goodies und Give-aways, größtmöglicher Verzicht auf Kunststoffe, grüner Strom sowie ein generell ressourcenschonender Umgang mit Energie, regionales und saisonales Essen, nach Möglichkeit sogar mit einem Social Benefit, ökologische Reinigungsmittel sowie ein insgesamt niedriger, transparent gemachter CO2-Fußabdruck der Hotel-Location. „Und die Beobachtung des Marktes zeigt“, meint Pütz-Willems, „dass hier nicht nur die großen Player im urbanen Vier- und Fünf-Sterne-Bereich entsprechend investiert haben, sondern auch schon viele mittelständische, familiengeführte Unternehmen wie beispielsweise Lindner Hotels und sogar Budget-Brands wie etwa Ruby Hotels. Aber auch klassische Ferienanlagen wie Center Parcs und Club Med erkennen immer mehr die Wichtigkeit von Meetings und digitalem Arbeiten. Kein Wunder, auf jedem Elefantenrücken irgendwo im thailändischen Dschungel ist das WLAN stabiler als bei uns in Deutschland.“ Gerade im Budget-Bereich poppen immer wieder interessante Hospitality-Produkte und Business-Dienstleistungen auf.
So hat die Budget-Kette Ruby Hotels beispielsweise ihre Schwestergesellschaft Rubyworks ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um eigenständige, anmietbare Coworking-Spaces und Conference-Facilities, die sowohl extern genutzt werden als auch den Hotelgästen zur Verfügung gestellt werden können. Pütz-Willems: „Die Rubyworks-Locations sind meist nur ganz wenige Gehminuten vom Ruby Hotel entfernt. Das Angebot wird rege angenommen und ist eine, wie ich finde, clevere und intelligente Reaktion auf die Entwicklung der letzten zwei Jahre.“ Der Markt ist schwierig geworden, schien in den
Lockdowns fast am Boden, aber dennoch werden Konferenzbereiche nicht aussterben, darin sind sich alle Interview-Partner einig. „Es gibt eine große analoge Sehnsucht in uns allen“, sagt BWM-Architekt Erich Bernard. „Neben all den Online-Formaten und digitalen Meetings wollen wir wieder Post-its, Flip-Charts, Graphic Recording und physische Nähe spüren. Unsere Aufgabe in der Architektur, Hotellerie und Interior-Gestaltung ist es, dafür zu sorgen, dass diese Bühnen der Begegnung gut funktionieren und vor allem Freude machen, noch mehr Freude als bisher.“
Autor: Wojciech Czaja, Architekturjournalist