Andere Länder, andere Sitten. Das zeigt sich nicht zuletzt auch in der Art und Weise, wie wir unsere Büros gestalten. Bedingt durch Mentalität, Mietkosten und individuellen Raumbedarf liegen zwischen Asien, Europa und Amerika nicht nur Meilen, sondern Welten.
Monsieur Hulot irrt durch die Korridore und versteht die Welt nicht mehr. Wie in einem futuristischen Ameisenhaufen rennen die Angestellten im Stechschritt von A nach B, die Aktenordner vor sich hertragend, die gesamte Kollegenschaft im Äther der Anonymität links liegen lassend. In der 22. Minute landet der Herr mit Mantel, Hut und Regenschirm auf einer gläsernen Empore und blickt auf die vielen kleinen Cubicles hinunter, die sich ins kollektive Gedächtnis der Filmgeschichte eingebrannt haben. Die 1967 erschienene Kinosatire „Playtime“ des Filmregisseurs Jacques Tati ist eine Kritik an der Moderne sowie an der zunehmend charakterlosen Gestaltung unserer Wohn- und Arbeitsräume.
Andere Länder - andere Sitten.
Heute sind die grauen und beigen Open-Space-Einheitswürfel vorwiegend im Wirtschafts- und Finanzsektor zu finden. Die schulterhohen Trennwände ermöglichen ein konzentriertes Arbeiten in einer gewissen Privatsphäre. Im Stehen kann man sich einen Überblick über seine Mitarbeiter verschaffen.
Doch auch in der Architektenschaft lassen sich einige überraschende Arbeitssituationen finden. Der japanische Shooting-Star Junya Ishigami sitzt mit seinem Team in einer ehemaligen Diskothek mitten in Tokio. Der 400 Quadratmeter großer Kellerraum ermöglicht keine Durchsicht nach draußen. „Als ich mein Büro gegründet habe, musste ich mich entscheiden: kleines Büro mit Aussicht oder großes Büro ohne Aussicht?" Aber ich gebe zu: Auch wenn man als Architekt viel Fantasie und ein sehr gutes räumliches und atmosphärisches Vorstellungsvermögen hat, sehnen wir uns alle nach einem Büro mit Fenster. Wir wollen endlich den Himmel sehen.“
Die beiden Pritzker-Preisträger Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa, die das Büro SANAA leiten, arbeiteten in einer Lagerhalle im Süden von Tokio. Über eine steile Metalltreppe erreichte man ein zwar helles, aber eng möbliertes Büro. Jedem Mitarbeiter – bedingt durch die hohen Mietkosten – standen rund 80 Zentimeter Schreibtischbreite zur Verfügung. Arbeitszeit: 14 bis 24 Uhr. Der ungewöhnliche Slot ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass SANAA nicht nur in Japan baut, sondern viele Projekte in Europa und in den USA betreut.
In Europa und in Nordamerika ist das Büro-Layout meist Ausdruck der eigenen Unternehmenskultur. Bei Christoph Ingenhoven in Düsseldorf sitzen die Mitarbeiter an einer mittig positionierten Schreibtischtafel. Im Pariser Büro von Lacaton & Vassal wird den Orchideen im Gewächshaus mindestens so viel Aufmerksamkeit geschenkt wie den Menschen. Und bei Hermann Czech in der Wiener Innenstadt verschwindet man buchstäblich hinter Bücherstapelnund und zum Bersten vollgeräumten, mit gläsernen Türen bestückten Regalen bis zum Plafond.
Autor: Wojciech Czaja, Architekturjournalist