Arbeiten zwischen Klick und Purpose.

Die Büros werden immer schicker und landen immer häufiger au f Pinterest und Instagram. Doch, was ist dran am Branding und an den vielen Tausend Followern? Und inwiefern profitieren am Ende die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen davon?

Ein Faltenwurf, perfekt drapiert, in Lavendelgrau, Pistaziengold und Kupfer métallisée, dazu drei altrosafarbene Proteablüten, neugierig aus der Keramikvase lugend, und als wäre die Inszenierung in pastelligen, zuckerschaumsüßen Makronenfarben noch nicht genug, haben sich Ana und Christophe – sie in einem satten Magenta, er in Pfirsich-Melone mit erdbeerroten Kniestutzen – vor der eisblauen Backsteinwand in Pose gebracht, damit alles, aber auch wirklich alles perfekt zusammenpasst. Cheese! Und Klick! Muchas gracias!

„Ja, wir arbeiten tatsächlich mit der Macht der Ästhetik, wir sind Architektinnen und Interior-Designer, und Schönheit ist unser Kapital“, sagt Christophe Penasse, der 2010 gemeinsam mit seiner Partnerin Ana Milena Hernández Palacios das in Valencia beheimatete Designbüro Masquespacio gegründet hat. Allein im Büronamen schon ist die Mission ihrer Arbeit auf den Punkt gebracht: Masquespacio, ein Kofferwort, ein sogenanntes Portmanteau, auf Deutsch so viel wie: Mehr als Raum. „Und genau das machen wir. Denn einfach nur Räume zu bauen und einzurichten, das ist uns zu wenig. Wir wollen Raumerlebnisse kreieren und mit Form, Farbe und Material unvergessliche Bilder erschaffen, die uns erfreuen, die uns inspirieren, die uns Lust und Leidenschaft bereiten.“

Zu den bisher realisierten Projekten zählen Bars, Hotels, Restaurants, Boutiquen, Friseure und Autosalons, aber auch Büros, Coworking Spaces und Möbelentwürfe für Corporates. Auf Instagram haben die beiden knapp 232.000 Follower, hinzu kommen Auszeichnungen wie Designers of the Year, verliehen von Elle Décoration und New York Times Magazine. „Tatsächlich generieren wir unsere Publicity in erster Linie über Blogs, Design-Plattformen und Social-Media-Kanäle“, meint Christophe. „Nicht selten werden sogar Bauherren und Auftraggeberinnen auf genau diesen Wegen auf uns aufmerksam. Das Geschäft läuft gut.“

Immer wieder werden die beiden von Interessenten kontaktiert, mit Screenshots alter Projekte, mit Moodboards voller Links und abgespeicherter Pinterest-Bilder: Genau so etwas wolle man haben! Und am besten mit einem Insta-Point, mit einer richtig großartigen Pinterest-Wall noch dazu! „Wir haben das Glück, dass wir den Markt gut kennen und bereits auf ein großes Portfolio in sämtlichen Asset-Klassen zurückgreifen können“, sagt Christophe. „Dennoch müssen wir bei unseren Kunden manchmal ziemlich viel Überzeugungsarbeit leisten, um etwas schon einmal Gemachtes nicht einfach zu kopieren.“

Die Gefahr dabei: Einerseits passiere es immer wieder, dass man mit der Copy-Paste-Methode aus der Mode fällt, dass man, anstatt im Trend zu liegen, einfach nur einem Outdate nacheifert. Andererseits aber, so der Experte, und das sei noch viel gefährlicher, würde man auf diese Weise Bilder und Wertewelten kreieren, die mitunter gar nicht zum eigenen Unternehmen passen. „Und dann ist die ganze Insta-Ästhetik umsonst, dann zerstört man vielleicht sogar noch die eigene Marke.“ Kurze Pause, und holt noch einmal aus: „Ganz ehrlich: Ästhetik ist etwas ganz Wunderbares im Leben. Aber Insta-Points, die können manchmal echt ein Fluch sein.“

Das eigene Studio in der Altstadt von Valencia, von den Medien heiß geliebt und tausendfach reproduziert, haben Ana und Christophe mittlerweile wieder verlassen. Heute arbeiten die beiden am Stadtrand, in einer alten Villa mit Patio, Wohnen und Arbeiten unter einem Dach, mit einem Team von aktuell sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Adresse ist geheim, um ja keine Influencer und Instagram-Jäger anzulocken. Die Küche und die gemauerten Wände im Arbeitszimmer sind so himmelblau und nougatbraun wie der Coworking Space Cabinette, ein Projekt aus dem Jahr 2020, denn manchmal, meint Christophe, dürfe man sich ruhig auch Inspiration aus der eigenen Vergangenheit holen.

Frage an den Designer: Ob die vielen Farben nur etwas fürs Foto sind? Nur ein Marketing-Gag für den Betreiber? Nur ein weiterer Feed, um die 230.000 Follower zufriedenzustellen? „Nein, keineswegs! Den richtigen Stil, die richtige Portion von Mut und Zurückhaltung zu finden, das ist eine Gratwanderung, das muss von Projekt zu Projekt, von Standort zu Standort abgewogen werden“, meint Christophe. „Und bislang haben wir das Glück gehabt, dass wir nie übers Ziel hinausgeschossen haben. Vom Coworking Space Cabinette haben wir bislang gute Rückmeldungen, die Mieter können sich gut konzentrieren.“ Und die goldene Stuck-Toilette im Lynk & Co Club Madrid? „Was soll ich Dir sagen? Die Leute lieben diesen Raum!“

Auch die New Yorker Designerin Laetitia Gorra, Gründerin von Roarke Design Studio, arbeitet gerne mit Farben und hat keine Angst vor fotogenen Fotomotiven. Das von ihr eingerichtete Headquarter-Büro für den Müsli-Produzenten Magic Spoon, ein Low-Budget-Projekt im 14. Stock eines alten Backsteinbaus in SoHo, Manhattan, 2023 fertiggestellt, hat es sogar aufs Cover des New York Times Magazine geschafft. Mit der Titel gebenden Frage: Can instagrammable office design lure young workers back? Wir rufen in New York an und geben die Frage an die Designerin weiter: Können Insta-Büros junge Mitarbeiter wieder zurücklocken?

„Can instagrammable office design lure young workers back?“

„Ja, das können sie – vorausgesetzt, die Gestaltung ist authentisch, transportiert die Werte des Unternehmens und hat mehr Kraft nach innen auf das Team als nach außen auf die Medien.“ Im Fall von Magic Spoon gibt es keine Anwesenheitspflicht, viele haben bislang immer wieder im Home-Office gearbeitet, doch mit dem neuen Büro, sagt Laetita, sei die Anwesenheitsrate wieder deutlich gestiegen. „Ich denke, es ist uns gelungen, mit geringen Mitteln, mit der Kombination aus High-End-Möbeln und ausgewählten Vintage-Stücken von eBay Räume zu schaffen, in die die Menschen gerne wieder zurückkommen. Dadurch, dass wir die Farben aus dem Magic-Spoon-Sortiment übernommen und in jedem Raum ein eigenes Müsliprodukt nachgestellt haben, ist das Büro ein authentischer, emotional ansprechender Raum.“

Ungeklärt ist bislang bloß, ob mit dem Insta-Faktor im Büro auch die Effizienz und Konzentrationsfähigkeit steigen. „Davon bin ich überzeugt“, sagt der Wiener Designer Thomas Feichtner. „Denn von der Effekthascherei mit Google-Gondeln, Facebook-Schaukeln und Microsoft-Rutschen sind wir längst weg. Das war gestern. Heute findet das Employer Branding auf einer viel subtileren Ebene statt. Und jede Schönheit, die man den Mitarbeitern schenkt, jeder Mehrwert gegenüber Hellgrau, Mausgrau, Dunkelgrau ist eine visuelle und emotionale Wertschätzung. Wenn man sich bei der Gestaltung professionell beraten lässt und nicht den Fehler begeht, die eigenen Logo-Farben an die Wand zu pinseln, dann hat man schon viel erreicht.“

Klassische Kriterien wie etwa Privatsphäre, Wohlbefinden, Ergonomie und technische Ausstattung am Arbeitsplatz müssen nach wie vor gegeben sein, keine Frage. Doch mit der Emanzipation der Generation Z, der Erstarkung des Arbeitnehmermarktes und der neu aufkommenden Purpose Driven Workforce, dem Streben nach einer schönen, erfüllenden, sinnstiftenden Arbeit, darin sind sich Experten wie etwa die Wirtschafsprüfungskanzlei KPMG Advisory einig, gibt es als Arbeitgeber kein Entkommen mehr. Eine gemütliche, wertschätzende und visuell wohltuende Bürogestaltung muss sein. Und wenn es Klick macht und das Foto auf Instagram landet, so wie all die schicken Bars, Hotels und Urlaubsdestinationen, umso besser.

Wojciech Czaja

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