Zwei Personen arbeiten an ihren Schreibtischen.
Zwei Personen arbeiten an ihren Schreibtischen.

Analoge Büros für digitale Nomaden.

Immer mehr Kreative, immer mehr Home-Offices. Doch der junge Worker von heute, lehren uns Markt und Werbung, ist nichts, wenn er nicht auch ein Co-Worker ist. Anmerkungen zu einem Trend. 


Sie sind Kulturmanager, machen Kundenmediation, arbeiten als Lebenskuratoren, bieten ganzheitliche Unternehmensberatungen an, betreiben Yoga-Blogs, unterrichten Körpersprache, veranstalten Rhetorikseminare für Kleinkinder, sind als Esperanto-Dolmetscher tätig, versuchen sich als freischaffende Trend-Scouts, stellen selbst gezeichnete Visitenkarten her und manufakturieren Schokobonbons aus Blütenstaub. Das neue Jahrtausend steckt voller neuer Berufsideen. Und das passt gut zum Trend, denn von den rund 4,1 Millionen erwerbstätigen Österreichern sind etwa 478.500 Personen, also knapp zwölf Prozent, selbstständig tätig. Tendenz steigend. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren war die Selbstständigenquote noch um ein Fünftel geringer. 

„Die Kreativität der neuen Selbstständigen ist beachtlich“, sagt der Wiener Soziologe Reinhold Knoll. „Es ist schön, dass junge Menschen den Mut haben, eine Marktnische zu finden, sich dort einzunisten und sich langsam emporzuarbeiten. Aber das darf uns nicht von dem Umstand ablenken, dass der allgemeine Arbeitsmarkt in Europa immer kleiner und kleiner wird.“ Die Sozialpolitik lasse allmählich nach, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen seien schwieriger als je zuvor. „Am Ende ist das Einzelunternehmertum oft nichts anderes als ein kreativer Versuch, um der Armutsfalle zu entkommen“, meint Knoll. „Das mag vielleicht ein paar Monate lang gut gehen. Aber sobald die Subventionen und steuerlichen Vorteile nachlassen, beginnt der tägliche Kampf ums Überleben. Und wie wir nur zu gut wissen, sind nicht alle in der Lage, ökonomisch zu reüssieren.“  

 

Co-Working - Büro auf Zeit

Eine große finanzielle Belastung ist das eigene Büro. Miete und Möbel fressen viel Geld. Eine Möglichkeit, diesem Druck zu entkommen, ist Co-Working, also das Anmieten eines Büroarbeitsplatzes auf bestimmte Zeit. Erstens wird die Nachfrage danach immer größer, und zweitens ergibt sich dadurch eine weitere wertvolle selbstständige Berufstätigkeit, nämlich die des so genannten Co-Working-Office-Betreibers. Und das ist gut so.

Das Angebot in den Großstädten ist vielfältig und reicht vom urigen Erdgeschoßlokal im WG-Look über boboide Großraumwerkstätten bis hin zu slicken Studios, die den Eindruck vermitteln, man befände sich auf dem Filmset eines Science-Fiction-Films, irgendwann in den Sixties, als die Zukunft noch weiß und hell erleuchtet war. Was fehlt, sind Captain Kirk und Lieutenant Uhura. Solche Büros sind beispielsweise das The HUB in Prag (Location: ehemaliges Fabriksgebäude) oder auch das Neno-Office in Wien (Location: an der pulsierenden Mariahilfer Straße gelegen). Was Reinhold Knoll von ihnen hält? „Diese Büromodelle kommen dem Kommunikationsbedürfnis arbeitender Menschen sehr entgegen und im besten Fall gibt es am temporären Arbeitsplatz auch noch eine studentische Lockerheit, die unserem Kulturmodell der nächstfolgenden jungen Generation sehr gut entspricht.“ 

In den meisten Co-Working-Offices kann man sich schon für ein paar Euro pro Tag einmieten, Sozialkontakte inklusive. Womöglich entpuppt sich der Sitznachbar eines Tages als potenzieller Kunde. Das wäre durchaus im Sinne des Co-Working-Gedankens. Im Idealfall würde man die neolaborative Dienstleistung dann nicht einkaufen, sondern tauschen. Ganz nach dem Motto: Suche Homepage-Grafiker, biete Gestaltungssupervision. Das einzige Problem, das dadurch ungelöst bleibt, wäre Knolls Befürchtung des monetären Misserfolgs.  

 

Autor: Wojciech Czaja, Architekturjournalist

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